Linke Mandatsträger aus Südniedersachsen befürworten die Gründung einer Partei von
Sahra Wagenknecht
Nach der durch die populäre Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht angekündigten Gründung einer
neuen Partei im linken Spektrum kommt es nun auch in der Linken im Landkreis Göttingen zum Bruch: Die
meisten Mandatsträger in den Kommunalparlamenten, die 2021 noch für Die Linke angetreten waren, wollen
nun die Partei verlassen und befürworten die Gründung einer neuen Partei, wie es in der
Bundespressekonferenz am 23.10. durch den Verein „Bündnis Sahra Wagenknecht“ angekündigt worden ist.
2021 hatte Die Linke noch drei Mandate im Kreistag gewinnen können, darüber hinaus ist sie in Hann.
Münden, Herzberg am Harz, Rosdorf, Staufenberg, der Samtgemeinde Dransfeld und in deren
Mitgliedsgemeinde Niemetal im Gemeindeparlament vertreten. Bis auf einen Kreistagsabgeordneten werden
nun fast alle kommunalen Mandatsträger die Partei Die Linke verlassen oder haben dies bereits getan.
In der Stadt Göttingen und in Gleichen dagegen war Die Linke als Teil der Wählergemeinschaft „Göttinger
Linke“ angetreten. Dieses Bündnis wurde in der Vergangenheit insbesondere von den Wagenknecht-
Anhängern getragen und soll auch in Zukunft weiter unterstützt werden. Auch hier gibt es Mandatsträger,
die, sofern sie bei ihrer Wahl der Partei Die Linke angehört haben, aus der Partei austreten wollen oder
diesen Schritt bereits vollzogen haben.
„Mit der Neuwahl des Kreissprecherrats im Herbst 2021 hat sich auch Die Linke in Göttingen inzwischen zu
einer völlig abgehobenen Partei verwandelt, die vor allem junge Akademiker aus eher besser gestellten
Verhältnissen anspricht, soziale Themen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Die kommunalen
Mandatsträger waren hingegen stets bemüht, ihre Bodenhaftung zu behalten und haben Themen
angesprochen wie die Umsetzung von Hartz IV, eine fundamentale Kritik am dreigliedrigen Schulsystem,
tarifliche Bezahlung Beschäftigter oder auch die Rekommunalisierung wichtiger Bereiche wie den ÖPNV“,
sagte Dr. Eckhard Fascher, Fraktionsvorsitzender der bisherigen Kreistagsfraktion Die Linke. „Unsere linke
Kommunalpolitik hatte immer die normalen Menschen im Blick und ist so eine demokratische Alternative
für Unzufriedene.“
„Dazu gehören auch die katastrophalen Bedingungen im Gesundheits- und Pflegebereich. Gerade im
ländlichen Raum wird es eine zentrale Herausforderung der Zukunft sein“, ergänzt Sylke Jarosch, die als
Ratsfrau für die Göttinger Linke - Gruppe Gleichen den Antrag für eine Gemeindeschwester als Pilotprojekt
gestellt hat.“ Wir müssen gegen die Vereinsamung und Unterversorgung etwas tun“! Das Gesicht der Partei
sei so von den kommunalen Mandatsträgern geprägt worden.
Als Trennendes werden vor allem auch die außenpolitischen Themen gesehen. So habe sich die Partei Die
Linke auch vor Ort nicht glaubwürdig gegen die Waffenlieferungen für die Ukraine und den Wirtschaftskrieg
gegen Russland positioniert. Auch gehe es nicht an, Kritik am israelischen Vorgehen gegen die Palästinenser
als Antisemitismus zu brandmarken.
Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner werden die Partei Die Linke zeitnah verlassen, sofern sie dieser
noch angehören und voraussichtlich nach der Gründung einer Sahra Wagenknecht nahestehenden Partei
dieser beitreten. Die positiven Umfrageergebnisse seien dabei Ansporn, bei den nächsten Wahlen mit starken
Fraktionen in die Parlamente einzuziehen.
Unterzeichnerinnen und Unterzeichner
Dr. Eckhard Fascher, Fraktionsvorsitzender im Kreistag Göttingen
Andreas Gemmecke, Kreistagsabgeordneter
Ilyas Cangöz, Ratsmitglied Stadt Herzberg
Martina Henze, Ratsmitglied Gemeinde Niemetal
Sylke Jarosch, Ratsmitglied Gemeinde Gleichen (Göttinger Linke - Gruppe Gleichen)
Ulrich Maschke, Ratsmitglied Samtgemeinde Dransfeld
Edgar Schu, Ratsherr Stadt Göttingen (fraktionslos, bis 09/2022 Mitglied der Linken, bis Ende 2022
Fraktionsvorsitzender Göttinger Linke)
Was ist "Was Tun Göttingen"?
Was Tun Göttingen ist die
südniedersächsische Regionalgruppe des bundesweiten
Was-Tun-Netzwerkes. Dieses hatte sich zum Kongress der Sahra
Wagenknecht nahestehenden innerparteilichen Opposition gegen die
Parteiführung von DIE LINKE am 6. Mai 2023 in Hannover gebildet und
die Gründung von Was Tun Niedersachsen am 5. August 2023
mitinitiiert.
Im
Kern geht es um die NATO-freundliche Haltung der Parteiführung
zum Ukrainekrieg und eine Orientierung an den Bedürfnissen der
immer stärker in die Armut gleitenden benachteiligten einfachen
Menschen. Auch droht die Partei ohne eine komplette Kursänderung in
die Bedeutungslosigkeit abzugleiten. Sie wird nicht mehr als
oppositionelle Kraft wahrgenommen.
Was
Tun Göttingen hatte sich als
Gruppe seit Januar 2023 nach dem Aufruf für
eine Populäre Linke gebildet, in dem fundamentale Kritik an der
Parteiführung der LINKEN geübt wurde. Wir sind
rund zwanzig Personen aus Göttingen, dem gesamten Landkreis sowie
Northeim, die noch in der Partei DIE LINKE oder gerade ausgetreten
sind, darunter auch ehemalige Funktionsträger, einige
Kommunalpolitiker, sowie neue bisher nicht parteipolitisch engagierte
Menschen.
Die existenziellen Probleme verschärfen sich. Als Sozialisten
orientieren wir uns an den Bedürfnissen der einfachen und normalen
Menschen und suchen nach Lösungen.
Was-Tun-Kongress in
Hannover
Organisiert
von der Sozialistischen Linken und einzelnen
Landesarbeitsgemeinschaften der Partei DIE LINKE aus verschiedenen
Bundesländern trafen sich am 6. Mai in Hannover-Misburg etwas mehr
als 250 Linke aus allen Bundesländern, die zutiefst enttäuscht von
dem Kurs der Parteiführung der LINKEN sind. Einige sind bereits
ausgetreten, die Meisten noch Mitglied, viele aber auch zum ersten
Mal auf einer solchen Versammlung.
Die
wichtigste anwesende Rednerin, die Bundestagsabgeordnete Sevim
Dağdelen prangerte die Verklärung des „Kriegs- und
Angriffsbündnis“ NATO als Friedensmacht durch die Parteiführung
an. Sie sieht einen Bruch zahlreicher prominenter Linker mit dem
Parteiprogramm, das Rüstungsexporte in Kriegsgebiete befürwortet.
Die Parteiführung setzte auf einen Wirtschaftskrieg an der Seite des
US-Imperialismus, der vor allem die eigene Bevölkerung trifft.
In
der anschließenden Diskussion wird diese Kritik an der Haltung der
Parteiführung zum Ukrainekrieg bis hin zur Forderung nach
Waffenlieferungen für die Ukraine durch prominente Linke wie Bodo
Ramelow oder auch Landesverbänden wie Bremen und der Verurteilung
der von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer im Februar initiierten
großen Friedensdemonstration in Berlin als „Querfront“. Als
entscheidendes weiteres Problem wurde die fehlende Konzentration auf
die wirklich sozialen Probleme der Normalbeschäftigten und
Einkommensschwachen genannt. Als Konsequenz daraus bleibt die Partei
bei Umfragen knapp unterhalb der Schwelle von fünf Prozent, während
die AfD als einzige Opposition wahr genommen wird und zum damaligen
Zeitpunkt bereits 16% mit steigender Tendenz erreichte.
In
zahlreichen Kreisverbänden fühlen sich zudem immer mehr langjährige
Genossinnen und Genossen ausgegrenzt, die traditionelle linke
Positionen wie sie beispielsweise noch im Erfurter Programm zu finden
sind, vertreten. Vielfach wie beispielsweise in den meisten Berliner
Bezirken würden Karrieristen die Partei dominieren. Für einige
Ältere spiegelt sich das wieder, was sie bereits in den achtziger
und neunziger Jahren bei den Grünen erlebt haben, nämlich die
Angst, dass mit Regierungsbeteiligungen und einer Anpassung an den
politischen Mainstream nach und nach sämtliche Ideale über Bord
geworfen werden. Andere fühlten sich an die Situation von 1914
erinnert, als sich die damalige SPD die Kriegskredite befürwortete
und sich später dauerhaft spaltete. Diese Entwicklung der Grünen
nach 1998 und der SPD nach 1914 oder auch nach dem Godesberger
Programm 1959 und für beide besonders extrem mit der Regierung
Schröder/ Fischer wird auch für die Partei DIE LINKE befürchtet.
Aber
wer jetzt erwartet hätte, dass daraus der Schluss gezogen würde,
möglichst zügig eine neue Partei gründen zu wollen, täuschte
sich. Dies war nämlich hoch umstritten. Viele haben zwar bereits die
Partei aufgegeben, aber Andere wollen in der Partei bleiben und für
einen Kurswechsel kämpfen. Die Diskussion führte so zu keinem
klaren Ergebnis. In ihrem per Video aufgezeichneten Grußwort vermied
die übrigens persönlich nicht anwesende Sahra Wagenknecht als
Galionsfigur hierzu eine Aussage. Auch ihre Vertraute Sevim Dağdelen
vermied trotz scharfer Kritik an der Parteiführung dazu eine klare
Stellungnahme.
Ob
es eine neue Partei geben soll, blieb also auf dem Kongress offen.
Als
Konsequenz soll aber ein bundesweites Was-Tun-Netzwerk mit
Landesverbänden und Regionalgruppen gegründet werden.
|